Kultur der Offenheit

Offenheit, oder selektive Offenheit steht der Verschlossenheit gegenüber. Die offenen Kulturen in der Gesellschaft und Wirtschaft haben bisher wesentlich erfolgreicher abgeschnitten als jene Kulturen, die sich einigeln und abkapseln. Offenheit funktioniert aber nur mit Vertrauen

Die Schweiz ist Globalisierungsweltmeister. Aktuelle Ereignisse wie der Krieg in der Ukraine, mit globalen Auswirkungen, zeigen, dass eine kritische Reflexion Not tut. Vielleicht heisst die neue Ausrichtung „Glokalisierung“? Der Krieg in der Ukraine hat die Abhängigkeiten beim Rohstoff und der Energieversorgung offengelegt. Unterbrochene Lieferketten sorgen dafür, dass die Wirtschaft sich auf „global“ und gleichzeitig „lokal“ ausrichtet.

Offenheit in der Zivilgesellschaft ohne Naivität

Die Offenheit einer Zivilgesellschaft kann dazu führen, dass über das Botschaftspersonal Spione in ein Land hereinkommen. In der Schweiz wird vermutet, dass von rund 250 Personen im russischen Botschaftspersonal 70 Spione eingewandert und aktiv sind. Gleichzeitig tut sich das Land schwer russisches Personal aus dem Land auszuweisen. Wahrscheinlich ist diese Haltung mit der Befürchtung verbunden, dass der Neutralitätsstatus verletzt werden könnte. Eine Haltung, die nicht nur „naiv“ ist, sondern auch die Menschenrechtsverletzungen im Aggressionskrieg, der keiner sein soll, nicht sehr ernst nimmt.

Die Schweiz zeigt sich im Volk bei der Aufnahme von Flüchtlingen solidarisch und hilfsbereit. Es werden rekordhohe Geldbeiträge im Volk gesammelt. Die staatliche Administration der Flüchtlinge folgt, einmal mehr, dem Prinzip des Föderalismus. Die Unterschiede bei der finanziellen Versorgung der Flüchtlinge, sind trotzt des frei gegebenen, geltenden S-Status, gross. Es gibt Geflüchtete, die mit einem Durchschnittsbeitrag von CHF 2.65 das Essen finanzieren sollten. Da kann sich jederman fragen, wie geht das in der teuren Schweiz? Offenheit zur Aufnahme der Flüchtlinge ist in Ordnung. Föderalistische Massnahmen zum Lebensunterhalt sind unverständlich.

Die Frontex-Abstimmungsvorlage steht vor der Tür. Die Schweiz soll ihren Beitrag an die Europäische Agentur für die Grenz-und Küstenwache erhöhen. Ein „Nein“ an der Urne könnte mit einem Ausschluss der Schweiz aus dem Schengenraum enden. Das Vorhaben ist in der Zeit vor der Abstimmung unbestritten. Selbst die Konservativen, die im Normalfall sich gegen alle Vorlagen wenden, die mit Europa etwas zu tun haben, sind mit einem „Ja“ im Vorfeld der Abstimmung bei der Abstimmungsempfehlung aufgefallen. Das ist erfreulich und schürt ein bisschen die Hoffnung, dass noch mehr Offenheit in die konservativen Köpfe eindringen könnte.

Bild: Canva

Attraktive Märkte und Offenheit

Die USA üben auf die Schweizer Banken stärkeren Druck aus, dass sie sich für die Aufklärung und Suche von versteckten Geldern mehr anstrengen. Wie seit Jahren bekannt ist, wird in der Schweiz sehr viel Geld gebunkert. Die Schweiz ist weltweit der grösste Platz für Vermögensverwaltung und Anwälte, Treuhänder und Banken helfen aktiv mit „Off-Shore-Gesellschaften“ zu gründen, bei welchen es sehr schwierig ist die komplexen Konstrukte aufzuschlüsseln und zu durchschauen. Niemand weiss genau, wie stark der Krieg gegen die Ukraine von versteckten Geldern finanziert wird. Eine grosse Herausforderung für ein neutrales Land, welches gegen die Neutralität verstösst, wenn Kriege in Drittländern mit Geldern finanziert werden.

Nordwest Europa ist für die Schweiz ein sehr attraktiver Markt. Der Bestand an Direktinvestitionen beträgt in den Niederlanden, in Luxemburg oder im Vereinigten Königreich über 100 Milliarden. Der Warenexport in diese Länder ist dementsprechend intensiv. In der Schweiz sind 1 Million Arbeitsplätze im Exportgeschäft angesiedelt. Zur prosperierenden Schweiz gehört die politische Absicherung und der Ausbau des Zugangs zu ausländischen Märkten. Dies sichert nicht nur die Wertschöpfung und die Arbeitsplätze, sondern trägt auch zur Versorgungssicherheit bei.

Im Rahmen der „Mind the Gap-Strategie“ hat die Schweiz mit dem Vereinigten Königreich, dem dritt wichtigsten Handelspartner nach der EU27 und den USA, fünf Abkommen unterzeichnet. Darunter ein Handelsvertrag, der seit 2021 in Kraft ist. Es geht darum, den Bestand abzusichern und weiterzuentwickeln. Ein umfassendes Dienstleistungsabkommen zur Stärkung des Finanzplatzes würde helfen. Die Forschungskooperation unter den Spitzenuniversitäten mit Europa ist zu stärken. Die Situation sich als Dritt-Staat zu präsentieren ist zu wenig. Sich ausschliesslich auf die Universitäten in England und den USA zu verlassen ist zu kurz gegriffen. Nebst Handelshemnissen ist auch das Schweizer Übertragungsnetz durch ungeplante Stromflüsse aus der EU immer stärker belastet, weil entsprechende Vereinbarungen fehlen. Die Schweiz ist als mittelgrosse Wirtschaftsnation auf offene Märkte, Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit angewiesen. Die politische Absicherung und der Ausbau des Zugangs zu ausländischen Märkten gehört zu einem prosperierenden Land. Wertschöpfung, Arbeitsplätze und die Versorgungssicherheit sind wichtige Aspekte.

Offenheit der Einkommensstrukturen

Die Lohn- und Einkommensstatistiken werden offen gelegt, so dass auch kritische Entwicklungen sichtbar werden. Über Geld spricht man in der Schweiz nicht gerne. Das Bundesamt für Statistik tut es aber. Es kann festgestellt werden, dass der Medianlohn in der Schweiz steigt und dass jeder Dritte Arbeitnehmer:in

einen Bonus erhält. Im Detail ergibt sich das folgende Bild: Der Medianlohn 2020 der Schweizer Angestellten betrug für eine 100%-Stelle CHF 6665.--, mit grossen Unterschieden nach den Regionen. Zürich ist „top“, der Tessin ist „flop“. 10% der Arbeitnehmenden gelten als „Tieflöhner“. Dies bedeutet, dass diese Arbeitnehmenden höchstens zwei Drittel des Medianlohns verdienen, also CHF 4443.—Für eine Familie mit zwei Kindern ist dieser Lohn das Tor zur Armut. Zwei Drittel dieser halben Million Angestellten sind Frauen in Tieflohnbranchen. Die Lohnschere zwischen sehr hohen und tiefen Löhnen ist aber nicht weiter auseinandergegangen. Die Lohndifferenzen zwischen den Geschlechtern gibt es noch, sie werden aber kleiner. Männer verdienen im Median 2020 CHF 6963.--, Frauen CHF 6211.—Je höher die Hierarchiestufen sind, desto grösser werden die Lohnunterschiede. Bei den Frauen- und Männerlöhnen beträgt die Differenz zu Gunsten der Männer 17%. Die Lohnhöhesind stark vom Ausbildungsniveau beeinflusst. Mit Uniabschluss ist der Median bei CHF 8332.-, mit abgeschlossener Berufslehre CHF 5863.— und mit höherer Berufsbildung CHF 7501.-- Die lukrativsten Branchen sind die Banken und Pharma. Im Mittelfeld befinden sich die Gesundheitsbranche, die Maschinenindustrie und der Grosshandel. Am schlechtesten bezahlen der Detailhandel, das Gastgewerbe und die Hotellerie.

Bild: Canva

Fazit aus der offenen Kultur in der Gesellschaft und Wirtschaft

Die Mischung von „globaler“ und „lokaler“ Ausrichtung in der Wirtschaft ist eine Reaktion auf die Lieferengpässe, die Inflationssteigerung und die Abhängigkeit von den Energieträgern.

Der Neutralitätsstatus der Schweiz ist zu überprüfen und auf die neuen Begebenheiten in der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auszurichten.

Der Krieg in der Ukraine, mit starken Flüchtlingsströmen, führt zur Einsicht, dass die Grenz- und Küstenwache besser finanziert werden muss. Selbst rechts- radikale Kreise sind zu dieser Einsicht gekommen.

Das Finanzgebahren im Schweizerischen Finanzplatz, mit der Unterstützung krimineller Machenschaften, ist zu hinterfragen und an neue Herausforderungen anzupassen.

Die Schweiz ist als mittelgrosse Wirtschaft in die internationalen Märkte eingebunden und muss sich noch vermehrt politisch und wirtschaftlich mit sinnvollen Kooperationen auseinandersetzen, damit die Prosperität und Stabilität des Landes gewährleistet werden kann.

Die Offenheit der Einkommensstrukturen schafft Verständnis dafür, dass die Gleichheit und Gerechtigkeit der Einkommen ein wichtiges Thema ist. Der Gini- Index von 0,3 Punkten für die Einkommensverteilung ist für die Lohnbezüger:innen akzeptabel, selbst wenn Verbesserungsbedarf klar ersichtlich ist.

 

Eduard Hauser